Donnerstag, 12. November 2009

kleine Rundreise

Da wir ja die letzte Woche wieder frei hatten, hat es uns wieder einmal in die Ferne gezogen. Diesmal sind wir dem Ruf meines (Steve) Mitbewohners Augusto (Nickname: Soldado) gefolgt, der uns zu sich nach Haus eingeladen hatte. Mit dabei waren außerdem natürlich Manu und auch mein anderer Mitbewohner Frango. Falls es noch nicht erwähnt wurde, Frango ist das portugiesische Wort für Hähnchen und eine gewisse Ähnlichkeit … naja … Er hat auch noch einen zweiten Spitznamen der es meiner Meinung nach besser trifft: Japanese Guy. Die Herkunft ist simpel. Seine Eltern sind Japaner.



Wir sind dann also freitags, nach guter alter brasilianischer Manier, 2 Stunden zu spät, um ca. 17 Uhr losgefahren. Es macht jetzt vielleicht den Anschein, als wäre ich über die ständigen Verzögerungen verärgert, nun nicht wirklich. Wenn man mal drüber nachdenkt, hat man ja auch dieselben „Freiheiten“. So fällt meine gelegentliche 10 Minuten Verspätung überhaupt nicht auf und einen pünktlichen Unterrichtsbeginn gibt es eigentlich nicht. Noch besser heute morgen z.B. ist ein Prof. nicht erschienen. Also nein ich kann mich eigentlich sehr gut mit dem brasilianischen Verhalten arrangieren, wenn ich auch doch immer durch mein zu deutsches (= pünktliches) Verhalten auffalle.

Aber um nicht wieder abzuschweifen, wir sind dann gegen 1 Uhr nachts in São Francisco do Sul im Bundesstaat Santa Catarina angekommen. Wir wurden, wie jedes Mal, super freundlich empfangen. Nachdem wir dann erst mal ein wenig ausgeschlafen und zu Mittag gegessen hatten, haben wir einen ersten Abstecher zum Strand gemacht. Super Sand, super Wasser, super Wellen, es hat richtig Spaß gemacht! Später hat uns Augustos Vater noch zu einer Bootstour eingeladen! An dieser Stelle muss ein wenig geografischer Sachunterricht über die Stadt folgen. São Francisco do Sul ist die drittälteste Siedlung Brasiliens (Gott preise Wiki) und liegt auf einer Insel in einer Bucht, mit der einen Seite zum Meer mit der anderen zur Bucht. Auf der anderen Seite der Bucht liegt die größte Stadt Santa Catarinas, Joinville. Und obwohl São Francisco do Sul mit lediglich ca. 40000 Einwohnern für brasilianische ein verschlafenes Dörfchen ist, was diese Stadt nebenbei echt interessant macht, hat sie einen der größten Containerhäfen Südbrasiliens, der rund 70% der Einnahmen der Stadt darstellt!

Ok genug von überflüssigen Infos die man ließt und wieder vergisst. Der Punkt ist das die besagte Bootstour in der besagten Bucht stattfand. In dieser Bucht befinden sich ca. 15, ein bis drei Fußballfelder große Inseln, die man nebenbei auch käuflich erwerben oder mieten kann, da auf jeder Insel mindestens ein Haus steht. Natürlich haben wir vor einer dieser Inseln geankert und konnten vom Boot ins Wasser springen um zum Strand zu schwimmen!



Nach dem Abendessen mit einem super Wein, Ausustos Vater ist Weinhändler und leidenschaftlicher Koch, incl. seiner halben Verwandtschaft mütterlicherseits haben wir dann abends noch eine Disco besucht. Ich sag mal so, Stephan H. hätte die Musik gemocht … Nach weitern mal Ausschlafen und super Essen ging es wieder zum Strand. Danach noch schnell ein oder zwei Bierchen und wieder war ein super cooler Tag um.


Am Montagmorgen haben wir dann den Pão de Açúcar von São Francisco do Sul bezwungen. Ein „Dschungelpfad“ führte auf die ca. 150 Meter hohe Erhebung. Danach folgte ein Umzug nach Itajaí in ein Strandhaus. Ja 30 Meter von einem ruhigen Strand entfernt haben wir dann weitere zwei Tage verbracht! Leider war surfen nicht drin, da Augusto sein Surfbrett verkauft hat. Dennoch hatten wir dank Wasser, Wetter, Wellen super Spaß.




Am Mittwoch dann sind wir dann ein Stück zurück nach São Paulo gefahren. Dort haben wir dann bei Frangos Familie, incl. All you can eat Churrasco, einer netten Bar und einer, letzten Endes, harmlosen Polizeibekanntschaft, eine Nacht verbracht. Donnerstagmittag haben wir uns dann mit einem anderen Kollegen, Chubaka, in São Paulo getroffen um das Wochenende in Guarujá zu verbringen. Mit dabei waren, natürlich wieder Manu, Emo, Panda, Chubaka, André und und Goiaba. Diesmal übernachteten wir bei Chubakas Eltern, denn wie es der Zufall nun mal so will, haben diese Ferienzimmer zu vermieten, diesmal allerdings ganze 100 m vom Strand entfernt. Dies war ein richtig schöner Männerurlaub, mit Bierchen, Strand, Disco …


und wie immer, das Schönste zu Schluss! Wir haben in Itajaí schon den Mondaufgang festgehalten und am Samstagmorgen dann, nach einer langen Nacht in der Disco, endlich die Zeit gefunden einen Atlantiksonnenaufgang live mitzuerleben! Dafür mussten wir dann nichtmals früh aufstehen :-)



nach diesen Bildern dann bis zum nächsten Mal Schöne Grüße aus Brasilien Lemão

Was für zwischendruch

Nachdem wir hier recht berühmt geworden sind, muss ich doch mal mit einer vollkommenen Fehlinterpretation unseres Blogs aufräumen. Ok, es wird mir wahrscheinlich nicht komplett gelingen uns ordentlichen Studenten hier als die deutschen Arbeitstiere, die 24 Stunden am Tag studieren zu charakterisieren – das hab ich gar nicht vor – aber vielleicht ist es sogar ganz interessant einmal zu schreiben, wie das Leben hier so aussieht… also neben unseren Reiseaktivitäten :-)

Wie Stephan schon geschrieben hat haben wir Kurse – keine Praktika, wie zu Hause, das ist sehr angenehm, einmal keine Praktikumsausarbeitungen im Kopf zu haben! Das Studentenquälinstrument (…) heißt hier „Lista“ und sind ganz normale Arbeitsblätter, manchmal mit Buchangaben, was gut ist, dann weiß man nämlich a) welches Buch man braucht und noch viel wichtiger b) welche 1000 Bücher man nicht braucht. Da hier recht viel auf Englisch studiert wird, was diese Übungsblätter angeht und auch was die Ausstattung der Bücherei betrifft. Das ist für uns angenehm – „Diffraction Pattern“ hört sich zwar etwas grausig an, aber „padrão de difração“ liegt dann doch noch in weiter Ferne mit unseren Portugiesischkenntnissen bewältigt werden zu können. Und was nicht in Englisch, mit Unterstützung von leo.org und pauker.at und wiki (ach, ich hab das verbotene Wort wieder gesagt!) bewältigt werden kann, hat sich Googlebooks als sehr hilfreich erwiesen – also, eigentlich wie zu Hause.

Hab in meinen letzten Tagen in Deutschland eine Überschrift im Hochschulanzeiger der FAZ gelesen: „Studieren 2.0“ (angelehnt an den Ausdruck Web 2.0). Was wir hier erfahren ist sehr ähnlich: Studieren hat sich so verändert durch das Internet, dass man mit den richtigen Quellen im Prinzip auch auf chinesisch studieren könnte. Das interessante ist, dass es sehr Kulturunabhängig ist. Ich fand vom Anfang an, dass sich die brasilianische (Lern-)Kultur (ok, den kleinen Teil davon, den wir hier erleben) sich nicht sooo erheblich von der deutschen unterscheidet, weil alle einfach über das Internet so sehr verknüpft sind, dass man „nur“ noch die Sprache und nicht mehr die Distanz zu überwinden hat. Und so redet man – wirklich passiert – mit völlig unbekannten Menschen über den genialen MIT-Professor Walter Lewin, den Youtube zum Star gemacht hat, weil viele Physikvorlesungen von ihm im Netz stehen und schon seit langem dazu gebaucht (missbraucht?) werden langschlafenden – nicht zur Vorlesung gehenden – Studenten nicht nur das schlechte Gewissen zu verbessern sondern wirklich Physik beizubringen.

Ok, zurück zu „diffraction pattern“ und Charakterisationsmethoden von Materialien (so der übersetzte Titel eines Faches, das wir hier belegen). 2 Vorträge standen auf dem Programm meiner 4 köpfigen Gruppe. + Abzugebende Ausarbeitung. Stolze 2x50 Seiten über Magnetic Force Microscopy und Electron Backscatter Diffraction. Die Präsentationen, - wie in Deutschland - animiert interaktiv und vor lauter Digitalität, Filmchen, Hyperlinks und Blickelichtern sogar das Thema im Auge behalten: Das ist nicht einfach und ein geschickter Leser bemerkt die dezente Kritik an dem Programm Powerpoint im letzten Satz. Das war Prüfungsleistung – etwas, dass ich auch aus GE so nicht kenne, aber was uns aufgrund des Zeitvorteils gegenüber Klausuren sehr entgegengekommt.


Aber mit der Flut von Möglichkeiten des Studieren 2.0 (toller Ausdruck, werd ich bei Zeiten nochmal googlen!) umzugehen, das ist im Prinzip die Herausforderung von dem, was man hier tut. Dass Klickerei nicht mit produktivem lernen gleichzusetzen ist, Copy and Paste leider nur in der digitalen Welt funktioniert und die Schnittstelle zum Gehirn (leider und zum Glück) noch nicht erfunden ist, diese Einsichten führen manchmal dazu auf die total abwegige und echt abgedrehte Idee zu kommen in die Bibliothek zu gehen und ein Buch auszuleihen. Das kann man sogar mit ins Bett nehmen, ohne dass man Angst haben muss den Laptoplüfter zu überfordern.

Mein Schreibstil suggeriert ein einfaches Studium, perfekte Umgebungen, tolle Kommilitonen und ein rosarotes Brasilien. Tja, man fühlt sich hier gut, aber aus dem Ärmel schütteln tun wir das hier weiß Gott nicht und trotzdem: eine Woche Ferien in einem fremden Land mit gutem Wetter sind zum Reisen da! Der nächste Bericht ist schon in Arbeit… :-)